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Samstag, 18. Februar 2017

Tach zusammen

So begann Hanns Dieter Hüsch regelmäßig sein Programm. Er ließ erst ein paar Akkorde auf seiner kleinen Orgel erklingen und dann nahm er die Zuschauer mit auf seine humorvolle und oft sehr nachdenkliche Gedankenreise. Er war ein Niederrheiner aus Leidenschaft und einige von euch werden sich vielleicht an ihn erinnern.



1925 als Sohn protestantischer Eltern in Moers geboren, war seine Kindheit und Jugend geprägt von der eher biederen Atmosphäre in seiner Familie und von den politischen Umständen der Nazizeit. Sehr prägend war für ihn eine Missbildung seiner Füße, denn er musste mehrere Operationen über sich ergehen lassen und konnte als Kind nur in dicken Filzpantoffeln laufen. Was das für ein Kind bedeutet, zumal in der Nazizeit, kann sich vielleicht jeder vorstellen. Später erzählte er: "Man fühlte sich sehr schnell alleine." Dieses einsame Kind fing sehr früh an, Texte zu schreiben. Die Krankheit ersparte ihm aber wenigstens den Kriegsdienst.
Er studierte er zunächst Medizin, wechselte dann zu Theaterwissenschaften in Mainz, konnte aber dem Universitätssystem nicht viel abgewinnen und fing bald an als Kabarettist aufzutreten. In den 50ger Jahren lebte er mit seiner ersten Ehefrau Marianne Lüttgenau und der Tochter in sehr bescheidenen Verhältnissen. Den Lebensunterhalt für die Familie verdiente er mit künstlerischen Auftragsarbeiten und als Nachrichtensprecher. Prägenden Einfluss hatte auf ihn ein Besuch beim neu gegründeten Kabarett Kommödchen in Düsseldorf.
Er gründete sein eigenes Kabarett und zeigte große Neigung zum Chanson. Sein Anfangsprogramm trug er mit der studentischen Jazzband vor. Das Talent sprach sich herum und Elmar Tophoven - übrigens auch Niederrheiner - wurde auf ihn aufmerksam. Hüsch wurde Mitglied des 1950 gegründeten Mainzer Zimmertheaters und trat u.a. in der Titelrolle von Kafkas Gruftwächter auf.
1954 trat er zum erstenmal mit einem eigenen abendfüllenden Programm auf:Das literarische Klavier. Es folgte die Gründung eines Kabarettensembles "Arche Nova" mit fester Spielstätte in Mainz und zahlreiche Auftritte in der Schweiz.
Hüsch weitete seine Aktivitäten immer mehr aus und fing an Bücher zu schreiben, begann eine monatliche Radiokabarettsendung "Zoll und Haben", drehte für das ZDF 11 satirische Reisefeuilletons. Außerdem war er als Schauspieler im Frankfurter Theater im Turm tätig.

Ende der 50ger Jahre wurde sein Programm zunehmend politisch, seine 4 Gesänge gegen die Bombe "Carmina Urana" wurde erst 1965 gesendet, weil zu kritisch.
1967 gründete er mit Franz Josef Degenhardt und Dieter Süverkup das Trio 67. Ein Jahr später
stieß Wolfgang Neuss zu der Gruppe, die dann zum Quartett 68 wurde.

Den Linken der 68er Bewegung waren Hüschs Texte nicht politisch genug und Hüsch, der sich weigerte, sich einer bestimmten politischen Richtung zu verschreiben, wurde 1968 auf dem internationalen Folklore Festival auf Burg Waldeck ausgepfiffen. Er zog sich zurück und widmete sich wieder der poetisch-literarischen Form des Kabaretts. Er trat vorwiegend in der Schweiz auf und rechnete mit seinem Programm "Enthauptungen" mit den Linken der 68er Bewegung ab.

Anfang der 70ger Jahre kehrte Hüsch auf die deutschen Bühnen zurück und gewann 1972 den ersten deutschen Kleinkunstpreis.Er entdeckte seine Begeisterung für Thomas Bernhard und inszenierte am Staatstheater Darmstadt dessen Stück "Immanuel Kant".
Sein Privatleben verlief nicht gerade unkompliziert, zeitweise trennte er sich von seiner Frau, kehrte aber wieder zurück. Seine Frau verstarb 1985 an Krebs.

Danach "wechselte er den Dom", wie er sagte und zog von Mainz nach Köln. Dort lernte er seine 2. Frau Christiane Rasche kennen, die er 1991 heiratete.


In den 80gern wandte Hüsch sich immer stärker religiösen Themen zu. Er trat als überzeugter Protestant auf Kirchentagen auf, hielt Predigten und veröffentlichte Bücher zu biblischen Texten.

Seine große Stärke war die Beobachtung der Menschen in ihrem Alltag. Dabei vergaß er nie die Selbstironie und so pointiert seine Wortakrobatik auch war, es schwang immer auch eine Art von liebevoller Betrachtung mit.

Kleinkunst muss Mut machen, muss trösten..... muss auch Lebenshilfe sein.

Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen. 1998 erkrankte er an Lungenkrebs und konnte lange nicht auftreten. Im Jahr 2000 ging er auf seine unvergessene Abschiedstournee "Wir sehen uns wieder".
2001 erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb am 6.12.2006 und wurde auf dem Hülsdonker Zentralfriedhof in Moers bestattet. Er blieb dem Niederrhein immer verbunden und typisch ist sein Ausspruch "Alles, was ich bin, ist niederrheinisch."

Die Kabarettabende mit ihm sind für meinen Mann und mich unvergessliche Erlebnisse. Am meisten beeindruckt hat uns der elegante Wechsel zwischen urkomischen und sehr tiefgründigen Passagen. Seine schnelle Sprechweise war für die Zuhörer durchaus eine Herausforderung. Genaues Hinhören war nötig, eine Fähigkeit, die nicht so furchtbar weit verbreitet ist.

Zum Schluss eine kleine Kostprobe



Das Video hat einige Jahre auf dem Buckel, daran ist leider nichts zu ändern.
Da ich Hanns Dieter Hüsch sehr unterhaltsam finde, schicke ich Grüße zu Andrea zum Samstagsplausch.






15 Kommentare:

  1. Gerne an ihn erinnert worden... er ist auch im Hause K. ein ganz Großer.
    GLG
    Astrid

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  2. Vielen Dank für das Teilen dieses interessanten Post. Es ist schon toll was Menschen so Leisten können und sich auch immer wieder aufrappeln, nach Niederschlägen.
    Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende. Herzlichen Gruß Sylvia

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  3. Das war ein schöner Bericht, mal was anderes. Liebe Grüße und schönes Wochenende Petra

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  4. Wunderbar! In Neukirchen-Vlyn habe ich meine Kindheit verbracht und Hüsch ist immer gegenwärtig geblieben, auch, als es uns in den Kohlenpott gezogen hat. Gerade morgen fahren wir nach Scherpenberg, denn viel Verwandtschaft lebt noch in Moers.
    Nur 1x habe ich ihn live gesehen, im Bahnhof Langendreer, aber seine Bücher lese ich immer wieder gerne. Ein wunderbarer Mensch, der viel zu geben hatte.

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  5. Echte Kabarettisten gibt es glaube ich, nicht mehr. Sie werden selten.
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
    Andrea

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  6. Schon vor dem Mittag Hüsch - was habe ich gelacht. Danke dafür.
    Lieben Gruß und ein schönes Wochenende
    Katala

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  7. Hallo Magdalena,
    vielen lieben Dank für deine schöne Biographie von einem meiner Herzensmenschen. Ich vermisse diesen wunderbaren Kabarettisten und wünschte es würden ab und an auch mal Wiederholungen seiner Sendungen im TV gezeigt.
    Ein schönes Wochenende für Dich
    Madeleine...geboren am Niederrhein

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  8. Danke für diesen Intressanten Samstagsplausch vom Hanns Dieter Hüsch, ich kenne ihn auch noch!
    Ich wünsche dir einen schönes Wochenende!
    Lieben Gruss Elke

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  9. Er war ein großer Künstler der die besondere Gabe hatte, das schwere leicht zu sagen; so heißt auch ein Buch was ich von ihm habe: https://www.herder.de/geschenke-shop/das-schwere-leicht-gesagt-taschenbuch/c-29/p-420/ aus dem Herder- Verlag.Großartige Predigten und Botschaften hat er erzählt. Live erlebt habe ich ihn auf einem evanglischen Kirchentag in Dortmund wo er hunderte von Zuhören in seinen Bann zog.
    Danke fürs Erinnen und einen Gruß zu dir
    heiDE

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  10. Hallo Magdalena. Sehr interessante Biographie. Die Sendungen waren toll.
    Schönes WE und liebe Grüße Jana.

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  11. Wir haben es immer genossen, wenn wir ihn vor Jahrzehnten von jenseits aus im Fernsehen sahen... Danke für die Erinnerung. Lieben Gruß Ghislana

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  12. Ein sehr schöner und interessanter Bericht.
    LG und schönes Wochenende
    susa

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  13. Ich kannte diesen Herrn bisher nicht. Ein interessanter Bericht.
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
    Christine

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  14. Hüsch - unvergessen. Erstmals gehört Anfang der 80er Jahre. Mein Mann kommt aus Krefeld - gebürtig -wie er es nennt. Muss mal nach den Schallplatten sehen, die müssten noch im Keller stehen. Danke fürs Erinnern.
    LG Astrid

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  15. Hüsch war einfach großartig!! danke fürs erinnern!
    liebe grüße
    mano

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